Hallo Conni,
Zum Bauteil-Wirrwar.
Ideale Bauteile gibt es nur in den Lernbüchern, praktisch legt sich da immer irgendwie die Physik quer. Vieles ist auch widersprüchlich, verbessere ich Parameter X, verschlechtert sich Parameter Y.
Grundsätzlich ist Technik immer ein Kompromiss.
Ein Kondensator besteht aus zwei Leitern welche durch eine Isolation (Dielektrikum) voneinander getrennt sind.
Das ist eigentlich schon das ganze Geheimnis.
Macht man den Abstand zwischen den Leitern kleiner, wird die Kapazität grösser und macht man die gegenüberliegenden Flächen der Leiter grösser, nimmt die Kapazität auch zu.
Das Dielektrikum hat auch noch einen Einfluss auf die Kapazität. Luft hat einen Faktor von 1, fast alle anderen Material haben einen höheren Wert. Baue ich einen Luftkondensator, hat dieser eine bestimmte Kapazität. Ersetze ich jetzt die Luft mit einem Dielektrikum mit der Konstante 2, verdoppelt sich die Kapazität.
Somit hätten wir die Basics der Theorie auch schon.
Nun hat jeder Isolator eine bestimmte Spannungsfestigkeit, bei höheren Spannungen schlägt er durch. Macht man also das Dielektrikum dünner, nimmt auch die Spannungsfestigkeit ab.
Das andere Problem sind die Verluste. Bei einem Dielektrikum richten sich die Moleküle nach dem Feld aus. Das ist reine Mechanik, braucht Energie und diese wird in Wärme gewandelt. Optimiert wird dieser Effekt bei der Mikrowelle. Praktisch hat aber das Dielektrikum frequenzabhängige Verluste. Dummerweise ist das Ganze nicht wirklich schön linear.
Sehr dünne, brauchbare Dielektrika bekommt man mit einem Trick. Man nimmt z.B. zwei Aluplatten und füllt den Zwischenraum mit einem Elektrolyten. Ein Elektrolyt ist, vereinfacht, eine leitende Flüssigkeit. Der Elektrolyt wird also zum Leiter (Platte) des Kondensators. Braut man sich die richtige Elektrolyt-Suppe zusammen und legt eine Gleich-Spannung an, bilder sich auf der einen Platte eine Isolierende hauchdünne Oxyd-Schicht. Das Anlegen der Spannung um die Oxyd-Schicht aufzubauen nennt man Formieren. Das Ganze nennt sich dann Nass-Aluminium-Elektrolyt-Kondensator, kurz Elko.
Legt man die Spannung aber falsch gepolt an, wird die Isolationsschicht wieder abgebaut. es fliesst ein grosser Strom, der Elektrolyt fängt an zu kochen und da das bauteil nicht als Dampfgarer gedacht ist, kann das Bauteil explodieren. Selbiges Problem hat man auch mit Wechselspannung.
Ein weiteres problem ist, dass der Elektrolyt ein wesentlich schlechterer leite als jedes Metall ist, man hat da noch einen zusätzlichen Serien-Widerstand im Kondensator eingebaut. Zusätzlich ist die dünne Isolation nicht ganz dicht, man hat also relativ grosse Leckströme. Rollt man jetzt die Platten auf, bekommt man sehr kompakte Elkos und das nächste Problem: Ein aufgerollter Leiter ist eine Spule. Man baut also noch eine Induktivität in Serie zum Kondensator mit ein.
OK, es gibt einen Trick. Normalerweise bekommt jede Folie eine Anschluss vor dem Aufrollen verpasst. Man kann so wickeln das jede Folie nur auf einer Seite aus dem Wickel ragt. Dann verlötet man die beiden Stirnseiten und bekommt eine Spule mit Windungsschlüssen und somit einer kleineren Induktivität. Wird dann als "Low ESR" verkauft und ist natürlich etwas teurer in der Herstellung.
Andere Materialien wie z.B. Keramik haben kleine Verluste im Dielektrikum und auch kleine Serienwiderstände und isolieren auch recht gut. Aber die Kondensatoren werden grösser.
Andere, wie z.B. Folienkondensatoren sind billig in der Herstellung. Man nimmt z.B. eine Polyester Folie und bedampft die einseitig im Vakuum mit Aluminium. Dann wickelt man zwei solche Folien einfach auf. Bei einem Verfahren erzeugt man zuerst grosse Wickel, presst diese dann flach und zersägt dann das Ganze in die kleinen Kondensatoren.
Ein weiteres problem ist noch dass unser realer Kondensator aus einer Kapazität, einer Induktivität und zwei Widerständen besteht. Allerdings kennt man diese Schaltung als Schwingkreis! Somit hat ein Kondensator keinen linearen Frequenzgang. Praktisch versucht man, die Resonanzfrequenz in einen Bereich zu schieben, wo er nicht stört. Normalerweise ist das kein Problem, wer sich dann aber mit Hochfrequenz beschäftigt muss sich auch darum kümmern.
Aus all den Problemen, sieht man oft, dass parallel zu einem Elko noch ein kleiner Keramik-Kondensator geschaltet ist. Macht vom Kapazitätswert absolut keinen Sinn
Der Elko puffert dabei die grossen Ströme, reagiert aber langsam. Der Keramik-Kondensator kümmert sich dann mit den schnellen Spitzen. Glücklicherweise haben schnelle Spitzen wenig Energie, können also mit kleinen Kapazitäten abgeblockt werden.
Das ist auch der Grund, wieso bei den 78xx Stabis, entgegen den Angaben im Datenblatt, unbedingt noch zwei 100-220nF- Keramik-Kondensatoren möglichst Nahe an den Pins montiert werden sollten. Diese beiden halten schnelle Störungen vom Regler ab, welcher sonst kurz ins Schwingen kommt. Als die 78xx vor 40-50 Jahren auf den Markt kamen, gab es noch wenig schnelle ICs und die kurzen Schwinger hatten bei typischen Anwendungen keine Auswirkung. Wieso das immer noch im Datenblatt steht, versteht eigentlich keiner.
Ich hoffe du kannst jetzt trotz der vielen Bäume auch den Wald erkennen.
MfG Peter(TOO)
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