Das erzählst du mal einen Harmonik Drive...Denn für die Genauigkeit der Positionierung sind sie ja eher nachteilhaft.
Hallo Leute,
ich beschäftige mich für meine Bachelorarbeit mit Delta-Robotern und hänge seit zwei Tagen an einem Thema, zu dem ich im Internet einfach zu wenig finde.
Es geht um's Thema Antriebe:
Was sind die wichtigen Kenngrößen, die für die Auswahl geeigneter Antriebe bei Delta-Robotern beachtet werden müssen?
Ich weiß, dass sie sehr "dynamisch" sein müssen. Für mich hieße das vor allem: kleine Massenträgheit - hohes Moment.? Aber woran orientiere ich mich da?
Zudem weiß ich nicht, wie ich die Getriebe dimensionieren muss. Bzw. ich weiß nicht, warum überhaupt Getriebe benötigt werden und nicht mit einem Direktantrieb gearbeitet werden kann. Da die Antriebe ja am Gestell befestigt sind, kann ich für das notwendige Moment einfach einen größeren Antrieb nehmen (ich habe ja nicht das Problem des Knick-Arm-Roboters, dass ich das Gewicht "mitschleppen" muss). Was bringen mir die Getriebe für Vorteile? Denn für die Genauigkeit der Positionierung sind sie ja eher nachteilhaft.
Danke Euch schon jetzt sehr für Eure Hilfe und liebe Grüße
Jeanette
Das erzählst du mal einen Harmonik Drive...Denn für die Genauigkeit der Positionierung sind sie ja eher nachteilhaft.
Die Argumentation ist nachvollziehbar. Es würde sich z.B. ein Linearmotor zum Antrieb anbieten. Wenn man anfängt einige Beispiele zu rechnen (es genügen erstmal nur statische Kräfte) wird man feststellen, dass es bei einem Direktantrieb eine sehr hohe installierte Leistung braucht um relativ geringe statische Kräfte aufzubringen. Das ist dann meistens zu teuer und schwer.Bzw. ich weiß nicht, warum überhaupt Getriebe benötigt werden und nicht mit einem Direktantrieb gearbeitet werden kann. Da die Antriebe ja am Gestell befestigt sind, kann ich für das notwendige Moment einfach einen größeren Antrieb nehmen (ich habe ja nicht das Problem des Knick-Arm-Roboters, dass ich das Gewicht "mitschleppen" muss). Was bringen mir die Getriebe für Vorteile? Denn für die Genauigkeit der Positionierung sind sie ja eher nachteilhaft.
Das dynanische Verhalten ist nicht ganz einfach zu durchblicken: Ein Direktantrieb benötigt einen Motor mit sehr hohem Drehmoment, dadurch bedingt ist der Durchmesser des Läufers hoch. Großer Läuferdurchmesser bedingt aber ein hohes Trägheitsmoment des Läufers. Bei Antrieb über Getriebe kann das Trägheitsmoment des Läufers verkleinert werden, allerdings muß die Beschleunigung des Läufers um die Getriebeübersetzung vergrößert werden. Was günstiger ist (bzw. welche Getriebeübersetzung optimal ist) , hängt davon ab, welche Massen - außer dem Läufer des Motors - zu beschleunigen sind.
Die dynamische Steifigkeit und Regelbarkeit der Position (also die Auslenkung der Position bei Aufbringen einer Lastschwankung) ist bei den Direktantrieben oft auch durch den Regelkreis beschränkt, Spulen sind Induktivitäten in denen der fließende Strom nicht beliebig schnell geändert werden kann. Hier sind wohl klare Vorteile für den Antrieb mit Getriebe.
Danke für deine Antwort, ranke!
Ich dachte zuerst bei der Verwendung von Getrieben auch an die logische Folge: kleinerer Motor - kleinere Massenträgheit - höhere Dynamik.
Ich habe dann aber bei einem Hersteller von Delta-Robotern einmal nachgefragt, was für Motoren sie verwenden. Und die Antwort hat mich verwirrt, denn sie verwenden für den selben Aufbau und Steuerung zwei komplett unterschiedliche Motoren (nur unterschiedliche Getriebeübersetzungen) und erhalten mehr oder weniger das selbe Verhalten des Delta-Roboters.
Ich habe versucht, aus den beiden Motorangaben eine Gemeinsamkeit im dynamischen Verhalten zu finden - bin aber gescheitert.
Motor 1:
Nenndrehzahl: 5000 1/min
Nennleistung: 2,2 kW
Massenträgheitsmoment: 0,00038 km m^2
Nennmoment: 6,55 Nm (obwohl es nach meiner Rechnung aufgrund der Nennleistung nnd -drehzahl nur 4,2 Nm sein müssten)
verwendete Getriebeübersetzung: 10
Motor 2:
Nenndrehzahl: 6000 1/min
Nennleistung: 1,2 kW
Massenträgheitsmoment: 0,000041 km m^2
Nennmoment: 1,9 Nm
verwendete Getriebeübersetzung: 31
Wie können diese beiden Motoren das selbe dynamische Verhalten haben?
Ich vermute mal, dass die Motoren unterschiedlich schnell sind, das zeigt auch schon die Übersetzung. D.h. ein Roboter ist für schnelles Handeln und der andere zum heben etwas schwerer Teile.
Kurz gerechnet:Wie können diese beiden Motoren das selbe dynamische Verhalten haben?
Lastfall unbelastet (also nur mit dem Trägheitsmoment des Motors):
Winkelbeschleunigung am Motor dwM/dt = M/I
Winkelbeschleunigung am Abtrieb dwA/dt = M/(I*i)
Antrieb 1:
dwM/dt = 17200 1/s^2
dwA/dt = 1720 1/s^2
Antrieb 2:
dwM/dt = 46300 1/s^2
dwA/dt = 1480 1/s^2
Die Motoren sind also noch recht unterschiedlich, nach dem Getriebe wirds dann recht ähnlich. Natürlich kann man das ganze auch unter Last mal rechnen (Fleißaufgabe für Dich?).
Interessant ist, dass auch die statischen Abtriebsmomente beider Varianten etwa gleich sind. Die Mehrleistung des größeren Motors wird also im wesentlichen durch die hohe Massenträgheit des Rotors aufgezehrt und bringt am Ausgang scheinbar keinen Nutzen. Wo sieht denn der Hersteller des Deltaroboters Unterschiede? Es wird ja einen Grund geben, warum beide Varianten angeboten werden.
edit: Rechenfehler korrigiert
Genau diese Überlegungen haben mir gefehlt.
An diese zwei Bedingungen (Mn*i = 60, M/(I*i) = 1500) kann ich mich nun bei der Auswahl eines eigenen Motors orientieren.
Meine Ergebnisse beim Nachrechnen der Winkelbeschleunigung sind allerdings um eine Zehnerpotenz größer - hab' ich irgendetwas übersehen?
Ich werde das ganze auf jeden Fall auch einmal unter Last rechnen. Mir fehlen aber noch die Massenangaben des Aufbaus. Die sollte ich allerdings in der nächsten Woche erhalten.
Ich habe bei dem Hersteller nochmal nachgefragt, wovon es abhängt, welchen der beiden Motoren er verwendet - warte noch auf die Reaktion.
Vielen Dank, ranke. Du hast mir wirklich sehr geholfen!
Nein, ich habe es gerade nachgerechnet, es ist tatsächlich alles um eine Zehnerpotenz höher. Ich habe es mal oben korrigiert, damit es nicht so falsch stehen bleibt.Meine Ergebnisse beim Nachrechnen der Winkelbeschleunigung sind allerdings um eine Zehnerpotenz größer - hab' ich irgendetwas übersehen?
Man kann jetzt natürlich noch grundsätzliche Überlegungen anstellen. Für Elektromotoren gilt ja allgemein, dass das Moment über Umfangskräfte an der (meistens zylindrischen) Luftspaltfläche erzeugt wird. Die maximale Kraft pro Fläche wird aus Gründen, die in der magnetischen Sättigung des Eisens liegen, begrenzt sein. Sowohl das Drehoment als auch das Trägheitsmoment des Motors sind abhängig von der Geometrie des Läufers. Hier kann man vielleicht noch Überlegungen zur Optimierung der Geometrie (also Läuferlänge, Läuferdurchmesser und insgesamt zur Motorenbauart, z.B. eisenlose Läuferkonstruktionen) in Bezug auf das dynamische Verhalten machen.
Falls Du noch etwas vom Hersteller des deltaroboters erfährst (bezüglich der beiden Motorvarianten) würde mich das interessieren.
Hallo JeannyBot, hi ranke,
Jeanette - willkommen im Forum.
Hoffentlich klinge ich jetzt nicht zu oberlehrerhaft - vor allem deswegen, weil ich von Regelungstechnik leider wenig verstehe. Von "wirklichem" Interesse ist ja erst die Funktion des Aktors im System. Daher habe ich für die Antriebe meiner Dosenroboter die Sprungantwort im Zielsystem erfasst. Für weitgehend baugleiche Motoren habe ich dabei einmal die Zeitkonstante 12 ms und beim hier oben bebilderten Antrieb 6 ms gemessen. Dabei sind die Getriebe unterschiedlich: es ist einmal das originale Getriebe, ca. 768,6 : 1 eingesetzt und im zweiten Fall, beim oben dargestellten Antrieb >>mit dem gleichen Motor<< ca. 90,91 : 1 - puristisch ausgedrückt: die Motoren werden wohl baugleich sein - die ursprünglichen Servos sind es jedenfalls. Dieser zweite Antrieb wurde durch Entfernen einer Getriebestufe aus dem ersten System hergestellt - siehe Bilder. Natürlich wirken sich die unterschiedlichen Zeitkonstanten erheblich auf die Regelungsparameter aus. Jeanette - solche Dinge sind viel besser und übersichtlicher in demZitat von ranke
Artikel von waste zur Regelungstechnik dargestellt - sehr empfehlenswert.
Für hochdynamische Anwendungen, z.B. Fahr- und Flugsimulatoren, wird für die Plattformantriebe Hydraulik eingesetzt, da sind auch sehr dynamische elektrische Antriebe eben zu träge - und die Leistungsdichte ist bei der Hydraulik etwas angenehmer. Bei Hydraulik gibts natürlich dann andere Probleme - Dissipation im Ventilspalt (hatte mir mal fürchterliche Probleme bereitet) - usf. JeannyBot - die höhere Dynamik der Hydraulik ist z.B. an der Steuerungslösung für größere bzw. Grossflugzeuge zu erkennen: alles Hydraulik - und Du solltest mal fühlen, was passiert, wenn Du bei einem Airliner von einem Kompasssystem auf das andere schaltest: der Regler tut einen Schlag aufs Seitenleitwerk, dass Du denkst der Rumpf bricht Dir auseinander *ggggg* - aber ich habs ja überlebt.
Ok - hoffentlich habe ich oben glaubhaft dargestellt, dass zwei praktisch gleiche Motoren zu deutlich unterschiedlicher Dynamik in unterschiedlichen System führen können. Daher muss für die korrekte Auslegung auch das gesamte (bewegte) System betrachtet werden. Die Dynamik bis zur Getriebe- bzw. Motorabtriebswelle alleine läßt zwar gewisse Abschätzungen zu, nutzt aber nicht allzuviel.
Jeanette: Dir wünsche ich viel Erfolg mit Deiner Arbeit - und trotz allem etlichen Spass dabei.
Ciao sagt der JoeamBerg
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