Die Entwickler von autonom arbeitenden Maschinen bilden die Signalverarbeitung von Insekten nach

Cambridge (England) - Bekanntlich können erotische Signale regelrecht elektrisierend wirken. Das gilt auch für Grillen, wie die Zoologen Berthold Hedwig und James F. A. Poulet von der britischen Universität Cambridge herausfanden: Wenn die Weibchen das Zirpen männlicher Artgenossen hören, reagieren sie schlagartig innerhalb von nur sechs Hundertstelsekunden. In dieser Zeit richten sie ihre Bewegung auf die Schallquelle aus, wie die Forscher kürzlich im Fachmagazin "Nature" berichteten. Sie hatten dafür Grillen mit einem Draht auf einem hoch empfindlichen "track ball" fixiert - einer Kugel, die die Beinbewegungen der Insekten mit einer zeitlichen Auflösung von 0,3 Tausendstelsekunden aufzeichnen kann.


So konnten sie die Reaktionen der Tiere auf Grillengesänge mit bislang unerreichter Genauigkeit aufzeichnen. Ihre Beobachtungen widersprechen Annahmen, wonach im Grillengehirn zunächst Mustererkennungsprozesse ablaufen und die Grille sich dann dem "besseren Gesangsmuster" zuwendet. Solche Prozesse, schreiben die Forscher, seien "zu langsam, um die beobachteten schnellen Richtungsänderungen hervorzurufen". Ihre Experimente, so Hedwig und Poulet, bieten wichtige Anregungen für die Konstruktion von Robotern. Denn bei autonom agierenden Maschinen kommt es besonders auf schnelle Auffassungsgabe an.


In der Tat ist technisches Interesse eine wichtige Motivation für Insektenstudien. So förderten etwa das australische und das amerikanische Militär Studien zur Entfernungswahrnehmung bei Bienen, weil sie sich davon Erkenntnisse für den Bau kleiner autonomer Aufklärungsflugzeuge erhoffen. Ein australisch-deutsches Forschungsteam ließ Bienen durch einen sechs Meter langen Tunnel fliegen und stellte fest, dass die Distanz von den Insekten sehr unterschiedlich wahrgenommen wurden, je nachdem wie die Tunnelwände gestaltet waren. Bei einem abwechslungsreichen Muster konnte die Strecke den Bienen wie 186 Meter erscheinen. Projektleiter Mandyam V. Srinivasan von der Australian National University vermutet daher, "dass Honigbienen sich in erster Linie auf die Bewegung von optischen Reizen stützen, um Entfernungen abzuschätzen" - ähnlich den am Autofenster vorbeirasenden Bäumen.


Eine ähnliche Bewegungswahrnehmung beobachtete Srinivasan auch bei Libellen. Bei der Verteidigung ihres Reviers gegen Rivalen achten Libellenmännchen nämlich erstaunlich präzise darauf, dass sie von ihrem Gegner immer aus dem gleichen Winkel wahrgenommen werden. Dadurch bleibt ihr Abbild auf der Netzhaut stets auf dem gleichen Fleck. Sie scheinen stillzustehen, obwohl sie gerade einen Angriff fliegen. Mit der gleichen Methode hoffen Militärs, Raketenabwehrsysteme austricksen zu können. Damit das gelingt, ist es wichtig, den Steuerungsmechanismus aufzuklären, der Wahrnehmung und Bewegung verbindet.

Artikel von Hans-Arthur Marsiske
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Quelle:http://www.welt.de/data/2004/09/07/329063.html