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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Frage: warum funktionierte (m)ein BC337 auch "andersrum



oberallgeier
19.02.2009, 13:12
Guten Tag,

bitte helft mir bei folgender Frage. Da die Elektronik für mich ein Buch mit sechseinhalb Siegeln ist, finde ich keine Erklärung.

In zwei funktionierenden Projekten schalte ich je drei irLEDs SFH415 mit 36 kHz und unterschiedlichen duty cycles gemäß der folgenden Schaltung. Zweck der Geschichte ist es, eine Abstandsmessung, siehe hier, (https://www.roboternetz.de/phpBB2/viewtopic.php?t=38009) ähnlich asuro mit dem SFH5110 zu realisieren.

....................http://oberallgeier.ob.funpic.de/teil_dwg-x95.jpg

Beim Aufbau der nächsten Platine will ich die gleiche Schaltung verwenden und hatte mich durch verschiedene SMD- und TTH-Varianten durchgekämpft. Dabei war mir beim erneuten Lesen des Datenblatts von vishay (http://www.datasheetcatalog.org/datasheet/vishay/85112.pdf) aufgefallen, dass ich den verwendeten BC337 offensichtlich "falsch herum" eingelötet hatte.

Also dürfte das garnicht funktionieren!? Läuft aber sehr zufriedenstellend.

Bevor ich meine sehr eng bedrahteten Schaltungen prüfe, baue ich mir also die Schaltung am Steckbrett nach - mit einem Taster von Vcc zum R5 statt des µControllers. Die - im Test nur eine, sichtbar strahlende - LED leuchtet prompt, wenn ich den Taster drücke.

Nun stecke ich den Transistor "andersrum" rein, also Collektor nach GND und Emitter Richtung LED/Vcc. Wiederum funktioniert die Schaltung wunschgemäss: die LED leuchtet, wenn ich den Taster drücke.

Eine Prüfung des Transistsors mit dem DMM/Diodentest ergab in Durchflussrichtung jeweils rund 0,8 V, in Sperrrichtung 0V - - NACH dem beschriebenen Test. Also wurde der Transistor vermutlich auch nicht zerstört.

Aber das dürfte doch garnicht sein ! ? Wieso funktioniert der Transistor, egal wie rum ich den einlöte?

Danke für Antworten und Aufklärung,

vohopri
19.02.2009, 16:09
Hallo Joe,

ich stehe zwar ein halbes Siegel noch hinter dir, aber ich hab das auch bemerkt, dass das so ist und auch irgendwo gelesen, dass das so ist. Verkehrt heraum eingebaut hast du auch eine npn Abfolge von Halbleiterschichten. Also "darf" das schon so sein. Im allgemeinen sind die Werte nicht so gut wie richtig rum, aber bei einer simplen Schaltstufe machts eher wenig aus.

Es recht gut zu wissen, dass das so ist, wenn man bei einem unbekannten Transistur durch Messen die Anschlussreihenfolge herausbekommen will. Ich persönlich verzichte lieber auf das Verstehen der festkörperphysikalischen Vorgänge, die das ablaufen.

grüsse,
Hannes

H.A.R.R.Y.
19.02.2009, 16:25
Das die bipolaren Freunde (NPN und PNP) auch mit vertauschten Kollektor- und Emitter-Anschlüssen funktionieren liegt an den physikalischen Vorgängen im Inneren des Halbleiters. Der zu Grunde liegende Effekt ist schließlich symmetrisch (manche Geometrien auch) und die Ladungsträger "wissen" nicht ob sie nun aus dem Emitter oder dem Kollektor fließen. Basis ist sowieso immer gleich.

Die Transistoren gehen durch diese Verpolung auch nicht kaputt, allerdings sind die Kenndaten nicht mehr gültig. Insbesondere Transitfrequenz und Stromverstärkung werden deutlich schlechter. Das ist geometriebedingt, da die Schichtdicken (die Bereiche der PN-Übergänge) zwischen Basis und Emitter normalerweise deutlich dünner sind. Je dünner diese Schicht, umso höher die Stromverstärkung, aber es gibt eine untere Grenze wegen anderer Zusammenhänge. Typische Werte für Stromverstärkung "falschrum" sind im Bereich 1..3. Richtigherum reden wir da von ein bis zwei Größenordnungen mehr.

Aufpassen muß man allerdings mit der Betriebsspannung bzw. der Basis-Emitter-Spannung. Generell vertragen bipolare Typen nur etwa 6V bis 7V Sperrspannung zwischen Emitter-Elektrode und Basis. Wird diese kritische Marke überschritten, verhält sich dieser Übergang wie eine Zener-Diode (es ist hier allerdings der Avalanche-Effekt wirksam). Wenn der Strom nicht begrenzt wird, geht der Transistor kaputt. Mit höchstens 5V alsVcc passiert aber normalerweise nichts.

Gruß H.A.R.R.Y.

PICture
19.02.2009, 17:55
Hallo!

Der H.A.R.R.Y. hat das alles sehr schön theoretisch erklärt. Ich möchte nur noch aus der Praxis dazusagen, dass die Stromverstärkung (ß) kleiner, aber dafür der Spannungsabfall auf dem gesättigtem Transistor viel kleiner ist. Revers geschalteten Transistor kann man für kleine Spannungen als fast symmetrischen Widerstand betrachten, änlich wie ein FET, und z.B. für automatische Verstärkungssteuerung (AGC) nutzen.

MfG

oberallgeier
19.02.2009, 17:59
... stehe zwar ein halbes Siegel noch hinter ...Na ja, elektronisch vielleicht. Aber mechanisch . . . . aber das ist ja dann ein anderer Thread. Danke, schön einfach und verständlich.


... an den physikalischen Vorgängen im Inneren ... Der zu Grunde liegende Effekt ist schließlich symmetrisch ...H.A.R.R.Y. danke für dieses Tutorial. Jetzt bin ich erleichtert daß
ich nix kaputt gemacht hatte
ich nix umlöten muss (aber bei der neuen Schaltung aufpassen)
ich es vermutlich verstanden habe.

vohopri
19.02.2009, 20:11
Danke,

jetzt konnte ich dank eurer Erklärungen wieder mein "gefährliches Halbwissen" auf dem Gebiet erweitern. (1/2 ist nicht wörtlich gemeint, es ist um Grössenordnungen weniger.)

grüsse,
Hannes

hardware.bas
21.02.2009, 21:14
Hab vor langer Zeit mal soetwas gelesen, das nannte sich dann
Inversbetrieb von Transistoren. Muss man sich glaub ich auf
Grund der heutigen Typenvielfalt und Preise nicht antun. VG Micha

Besserwessi
21.02.2009, 22:43
Bei den modernen Transistoren geht es falsch herum auch nicht so gut. Bei ganz alten Germaniumtransistoren (noch die Legierungstype) war der Unterschied gar nicht mal so groß.

TomEdl
21.02.2009, 22:52
Ich hab mal in meiner Anfangszeit als Elektronik-Bastler einen BC547 falsch herum eingelötet, der wurde dann nach Anlegen der Betriebsspannung so halb leitend....

Scheint also nicht bei allen Transistoren zuverlässig zu funktionieren.

Gruß
Thomas
;)

Besserwessi
22.02.2009, 00:01
Die modernen Transistoren haben invers halt ziehmlich schlechte Eigenschaften. Ein hoher Leckstrom gehört wohl auch dazu, vor allem wenn man nicht auf die geringe Spannungsfestigkeit (oft nur 5 V) achtet.
Die wenigsten Transistoren sind auch dafür ausgelegt. Ich war auch schon etwas überrascht das der BC337 noch brauchbare Ergebnisse liefern sol.

oberallgeier
22.02.2009, 11:07
Hi,

... überrascht das der BC337 noch brauchbare Ergebnisse ...Zuerst das Nebensächliche - vielmehr der Hauptgrund für die Geschichte: meine Nachlässigkeit. Ich hatte aus dem Datenblatt die Pinbelegung entnommen - und dummerweise nicht beachtet (was beim Betrachten des Bildchens eigentlich völlig klar ist), was da stand: "bottom view".

Diese falsche Beschaltung des BC337 habe ich also in meinem Dottie zum Schalten der Leuchtdioden (https://www.roboternetz.de/phpBB2/files/neu-3.jpg) im 36 kHz-Takt. Bei kleinen duty cycles bis herunter zu 1/256 sind die Auswirkungen hier beschrieben (https://www.roboternetz.de/phpBB2/zeigebeitrag.php?p=387767#387767) und auch mit einer modifizierten Beschaltung hier dokumentiert. (http://oberallgeier.ob.funpic.de/ohC+mC100nF.jpg) Das Dämliche ist, dass mir in der ganzen Zeit der Fehler nicht aufgefallen war. Offenbar bewege ich mich mit dieser Fehlbelegung aber gerade innerhalb der geringen, verbliebenen Betriebsgrenzen.

Offen wäre jetzt allenfalls noch der Vergleich "richtig" gegen "falsch".

PICture
22.02.2009, 17:24
Hallo!

Wahrscheinlich in deinem Fall es gar kein Fehler war. :)

In Schaltanwendungen den bipolaren Transistoren, wegen Leistungsverluste und davon resultierende Wärmeentwicklung, werden oft bewußt Transistoren invers angewendet. Dabei wird die niedrigere Stromverstärkung (ß) gerne in Kauf genommen um niedrigeren Spannungsabfall auf dem gesättigtem Transistor zu bekommen.

MfG

oberallgeier
22.02.2009, 17:46
Ohhh, PICture, danke für diese Erklärung. Das stärkt mein Selbstbewusstsein - obwohl ich das natürlich garnicht so wusste.

Da ich die LEDs sowieso "bremsen" muss - siehe Vorschaltwiderstände R6, R7 und R8 im Schaltplan oben (https://www.roboternetz.de/phpBB2/zeigebeitrag.php?p=426566#426566) - würde mich ein Leistungsverlust nicht stören. Ob die Wärme im Transistor oder in drei SMD-Widerständen entsteht, ist dem Entropieanstieg wohl ziemlich egal *ggggg*. Ausserdem hatte ich (auch) festgestellt, dass bei meiner Anwendung noch einiges im Nebel unbekannter Effekte liegt: bei steileren Flanken im LED-Strom (https://www.roboternetz.de/phpBB2/zeigebeitrag.php?p=385343#385343) durch 100nF parallel zu R5 ist ja leider meine Auflösung (bei der Entfernungsmessung) im Nahbereich meiner irDME´s schlechter geworden.

Ich werde die bisher falsche Orientierung des Transistors auf meiner neuen Platine berichtigen. Wenns schlechter wird - dann bin ich ja trotzdem einen Schritt weiter.

PICture
22.02.2009, 17:58
Es kann auch möglich sein, dass bei nicht inverser Beschaltung der Transistoren die Schaltzeiten länger (also Flankensteilheit schlechter) werden, da die Transistoren mit größeren ß wegen tieferer Sättigung langsamer sind (brauchen mehr Zeit um aus der Sättigung rauszukommen).
Dank deinem "Fehler" habe ich festgestellt, dass inverse Beschaltung auch für Beschleunigung der Transistoren ausgenutzt werden kann. :)

Die wichtigsten Erfindungen sind eben durch Fehler beim Experimentieren entstanden.

MfG

oberallgeier
22.02.2009, 19:16
... möglich sein ... bei nicht inverser Beschaltung ... Flankensteilheit schlechter ... wegen tieferer Sättigung ...Das mit der tieferen Sättigung wurde doch durch das Parallelschalten des Kondensators verbessert ! ? Der puffert, soweit ich es verstehe, fürs Durchschalten ein bißchen Energie und damit entsteht dann die steilere Flanke an den LEDs (gemessen hatte ich die Spannung am Vorschaltwiderstand).

PS: Ich bin gerade dabei, mein Streckbett - sorry, mein Steckbrett an meine Experimentierplatine zu koppeln und ein bisschen die Software zu ändern. Ich schau mir nun DOCH die Flanken an.

oberallgeier
22.02.2009, 20:21
... Die wichtigsten ... durch Fehler ... entstanden ...Na ja, oder eher wohl nicht oft. Bei mir ist das etwa so wie mit dem Christoforo - der mit Isabellas Geldbörse eine der unsinnigsten Bootsfahrten unternommen hatte: die falsche Richtung eingeschlagen, den Ankunftsort falsch erkannt - und sowieso unsinnig - die Indianer hätten toll weiterleben können.

Genauso bei mir: Vorbehaltlich einer Übertragbarkeit bzw. Repräsentativität der Ergebnisse wegen des fliegenden Versuchsaufbaus. Beim Aufbau habe ich ein übliches Steckbrett mit Drähten an meine FLEX168 angedockt. Die Pinleitung mit dem 36 kHz-Signal wird über eine knapp 10 cm lange Leitung ins Steckbrett geführt - also sind die Kapazitäten doch etwas sehr gewachsen. Der Tastkopf wurde angeschlossen an LED-Transistor-Verbindung (anders als im Schaltplan oben ist die Anordnung Vcc - 1k - LED - Transistor) und an GND. Der Oskar ist mein Hameg-Clon von ABB GOERTZ.

Bei korrekter Steckweise des BC337 ist die Anstiegszeit des Signals rund 5 µs und die Abfallzeit gut 0,5 µs. Wird der Emitter zur LED gelegt und der Collektor auf GND, dann beträgt die Anstiegszeit etwa 8 .. 9 µs und die Abfallzeit gut 1,5 µs.

WWN = war wohl nix. Aber nun weiß ich es.

PICture
22.02.2009, 21:36
Danke sehr! :)

Ich weiß zwar nicht warum, aber ich lerne jeden Tag etwas neues kennen. O:)

MfG

TomEdl
22.02.2009, 21:42
Danke sehr! :)

Ich weiß zwar nicht warum, aber ich lerne jeden Tag etwas neues kennen. O:)

MfG
Passiert mir auch jeden Tag! ;)

Gruß
Thomas
:)

H.A.R.R.Y.
02.03.2009, 12:33
Nachtrag für alle die es etwas genauer wissen wollen:
(weil ich mal wieder meinen Tietze-Schenk verlegt habe, mußte ich im Internet nach den Transistor-Gleichungen suchen und bin auf den Artikel im Wikipedia gestoßen)
http://en.wikipedia.org/wiki/BJT
Falls der Link nicht funktioniert einfach im Wikipedia nach "BJT" suchen...

Lazareth
02.03.2009, 18:08
wer es ganz genau wissen möchte, mit den tansistoren, sollte sich mal dieses buch zu gemüte führen http://www.amazon.de/Einführung-die-Elektronik-Bücher-Wissens/dp/3596262739/ref=sr_11_1?ie=UTF8&qid=1236013553&sr=11-1

ist zwar von 1965, aber das ding erklärt wie man tabellen liest, sie einsetzt und wie ein transistor praktisch funktioniert. ein echt sehr geiles buch, für unwissende und rechenmuffel sehr gut geeignet.