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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kraftumsetzung bei Motoren



flury
17.01.2009, 22:04
In der Literatur liest man viel über die Berechnung von mechanischen Übersetzungen. Relative wenig findet man zum Thema Übersetzung der Kräfte. Wie verhält sich die Kraft im Vergleich zur Übersetzung? Wie sieht es bei Stirngetrieben aus im Unterschied zu Planetengetrieben?

Konkret suche ich für ein Robo-Projekt einen Antriebsmotor, welcher rund 60 U/Min hat und ein Drehmoment von ca. 1,5 - 2Nm abgiebt. Wichtig dabei ist, dass der Motor so wenig Strom wie möglich verbraucht. Ein Scheibenwischermotor erzeugt zwar ein hohes Drehmoment, verbraucht je nach Modell aber 4 - 10 Ampere und das ist mir eindeutig zu hoch.

Kann mir hier jemand irgendwelche Tipps geben oder die mechanischen zusammenhänge erklären?

PS: Habe im Netzportal zwar eine Seite gefunden, welche mir solche Umrechnungen anbietet, allerdings werde ich da nicht schlau, da zum Beispiel bei einem Radduchmesser von 15 cm und einem Übersetzungsverhältnis von 100:1 die Kraft vor dem Getriebe höher sein muss als ohne Getriebe? Ich hätte angenommen, dass die Kraft vor dem Getriebe kleiner und nach dem Getriebe sehr hoch.

siehe https://www.roboternetz.de/phpBB2/motordrehmoment.php

the_Ghost666
18.01.2009, 11:48
Bei nem permanenterregten Gleichstrom-Elektromotor ist der Strom propotional zum Drehmoment. D.h. wenn du doppeltes Drehmoment willst, brauchst du auch doppelten Strom, bzw wird der Motor auch doppelten Strom ziehen. Die Kraft, von der du redest ist abhänig vom Drehmoment, in Nm, durch die Entfernung zum Drehpunkt, also dem Radius R. Wenn du ein Rad hast, ist der Radius des Rads dein Hebel, der die Kraft auf die Oberfläche überträgt. Als nächstes ist das Getriebe dran, es wandelt eine hohe Drehzahl in eine kleine Drehzahl, und proportional dazu ein geringes Drehmoment in ein Hohes.
Die Leistung am Motor entspricht hier elektrisch U*I, mechanisch 2*pi*n*M mit n=Drehzahl und M =Drehmoment. Dazu kommt der Wirkungsgrad des Motors, der Erwärmung, Reibverluste usw einschließt.
Für das Getriebe gehts genauso, dort sind auch Verluste drin, die sich aus Reibverlusten usw zusammensetzen.
Was du brauchst, um einen niedrigen Strom zu bekommen, ist:
Getriebe und Motor mit möglichst geringen Verlusten,einfache Bürstenmotoren sind nicht die beste Wahl, eher Glockenanker-Motoren, die eine schöne Linearität aufweisen, ebenso auch geringe Massen bewegen und so schnell Beschleunigen können. Der Wirkungsgrad ist besser, aber man muss im Allgemeinen die Wirkungsgrad-Kurve einrechnen. Der maximale Wirkungsgrad ist nämlich drehzahlabhängig.
Noch eine Verbesserung könnte man mit einen bürstenlosen Motor erreichen. Das steigert natürlich den Preis.
Beim Getriebe sollte man auch auf den Wirkungsgrad achten. Da bin ich leider nicht ganz so firm.

flury
18.01.2009, 16:36
Hallo

Danke für deine ausführlichen Erläuterungen. Es sind ein paar interessante Aspekte drin, welche ich für die Dimensionierung des Motors gut brauchen kann. Die eigentliche Frage liegt aber noch immer in der Luft und vielleicht habe ich mich ertwas unklar ausgedrückt, nämlich:

Wie verhält sich die Kraftumsetzung eines Getriebes im Vergleich zum Übersetzungsverhältnis? Diese Frage interessiert mich deshalb, weil ich aus einem schwachen Motor mit hoher Drehzahl ein möglichst hohes Drehmoment mit niedriger Drehzahl erziehlen möchte. Natürlich ist dies nur mit einem vorgelagerten Getriebe möglich. Aber eben, wie sieht es da mit der Kraftumsetzung aus?
Wenn wir mal die Reibungsverluste weglassen, so kann ich mir nicht vorstellen, dass bei einem Übsetzungsverhältnis des Getriebes von 100 : 1 die Kraft des Motors ebenfalls um 100 mal untersetzt wird oder?

In meinem speziellen Fall benötige ich ein abgebendes Drehmoment nach dem Getriebe von ca. 1,5 - 2Nm, um ein Rad mit dem Durchmesser von ca. 15 cm anzutreiben (Robogewicht ca. 10kg).
Wie gross muss das abgebende Drehmoment des Motors bzw. vor dem Getriebe sein, wenn das Übersetzungsverhältnis des Getriebes 100 : 1 ist (in der Annahme, dass der Motor eine Nenndrehzahl von 6000 U/min hat) ? Kann man aus dem Übersetungsverhältnis ableiten, dass die Kraft am Motor (vor Getriebe) demnach 100 mal kleiner sein muss?

Ich denke so einfach wird meine Rechnung zur Dimensionierung meines Motors nicht sein, da ja auch noch der Raddurchmesser eine gewaltige Rolle spielen wird. Zudem wird es noch davon abhängen, um was für ein Getriebe es sich handelt (Planetengetriebe oder Schneckengetriebe etc.). Gibt es da keine Faustformel ?

solidus
18.01.2009, 20:38
the_Ghost666 hat es doch schon bestens erklärt ...

Wir reden hier über Mechanik mit DREH-Bewegungen.
Deshalb wird innerhalb des Systems sinnvoll nur mit Drehzahlen und Drehmomenten gerechnet. Die ergeben nach W=2*PI*n*Md dei mechanische Leistung. Bei Vernachlässigung der Verluste bleibt die Leistung, die am Getriebeeingang (durch den Motor) reinggsteckt wird gleich der am Getriebeausgang verfügbaren Leistung. Real wird es am Ausgang verlustbedingt etwas weniger sein. Wieviel weniger? das sagt der Getriebewirkungsgrad aus.Gute Wegen der Gleitreibung haben Schneckengetriebe prinzipiel schlechtere Wirkungsgrade (können aber leicht relativ hohe Untersetzungen haben).

Kräfte wirken natürlich auch an und im Getriebe. sie sind aber nie losgelöst von den wirksamen Radien zu betrachten, denn Md=F*r.

flury
18.01.2009, 21:09
Hallo Solidus

Gemäss deinen Ausführungen, ich Zitiere :" die am Getriebeeingang (durch den Motor) reinggsteckt wird gleich der am Getriebeausgang verfügbaren Leistung" würde dies unter Vernachlässigung der Verluste folgendes bedeuten:


W = 2 * pi * n1 * M1 = 2 * pi * n2 * M2

Wobei n1 -> Drehzahl des Motors (vor Getriebe)
M1 -> Abgebendes Drehmoment des Motors (vor Getriebe)
n2 -> Drehzahl nach dem Getriebe
M2 -> Abgebendes Drehmoment vom Getriebe (nach Getriebe)

Zusammenfassend würde daraus resultieren:

n1 * M1 = n2 * M2

bzw.


M2 = n1 * M1 / n2

Verbal würde dies bedeuten, das abgebende Drehmoment nimmt proportional mit dem Übersetzungsverhältnis (n1/n2) zu (mal von den Verlusten abgesehen).

Habe ich das richtig interpretiert?

the_Ghost666
19.01.2009, 01:03
Ganz genau so ist es.
Vergiss nur nicht, dass die Drehzahl im gleichen Verhältnis abnimmt, wenn du den Raddurchmesser und die resultierende Geschwindigkeit berechnest.
Und mit deinen 15cm Raddurchmesser ergibt sich ein Angriffspunkt für die Kraft bei r=7,5cm. -> Fr=Md/r
Für die Linearbewegung gilt übrigens Plin= F*v mit F= Kraft die auf das System ausgeübt wird und v= Geschwindigkeit des Systems.
Wenn du damit die Bewegung eines Roboters auslegen willst, musst du beachten, dass nur ein kleiner Teil der Leistung das Gewicht kompensieren muss.
Die Masse des Roboters ist nur wichtig für a) die Reibkraft zwischen Rädern und Boden, wenn der Roboter auf einer ebenen Fläche steht, b) die Beschleunigung des Roboters, von X auf Y, bei gleichbleibender Geschwindigkeit müssen nur die Verluste ausgeglichen werden, also Reibung an Luft und Boden, sowie andere äußere Kräfte. c) für die Bewegung auf einer schiefen Ebene, da hier die Gewichtskraft in eine Normal- und Tangentialkomponente zerlegt wird.


Korrigiert mich, wenn ich mich irre.

thewulf00
19.01.2009, 07:46
Ich hab noch einen allgemeinen Tipp, nach einem theoretischen Ansatz, für Dich:

Die goldene Regel der Mechanik besagt: "Was man an Kraft spart, muss man an Weg zusetzen."
Das lässt sich z.B. prima am Flaschenzug erkennen: Ich kann schwere Objekte leichter heben, ich muss nur eben viel mehr Seil ziehen.

Bei Getrieben ist es das gleiche im Umkehrprinzip: Was Du durch ein Getriebe an Weg (=Umdrehungen) verlierst, bekommst Du im gleichen Verhältnis an Kraft (=Drehmoment) dazu.

flury
19.01.2009, 21:12
Das waren wirklich gute Tipps von euch und ich würde mal sagen, ich bin ein "Quäntchen" intelligenter geworden ;-)

Danke nochmals für eure Tipps. Nun kann ich auf ein gutes Gelingen meines Robo-Projekts hoffen und mit ruihgem Gewissen auf die Suche nach einem idealen Motor und Getriebe gehen.........

Gruess