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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Knickhalm Saugheber Viskosimeter



Manf
11.12.2006, 16:49
Die Viskosität einer Flüssigkeit kann man messen, indem man sie bei bekanntem Druck durch ein Rohr fließen lasst.

Um sich ohne viel Aufwand mit einem üblichen Viskositätswert vertraut zu machen kann man ein randvoll mit Spülmittel (Dichte 1020 kg/m³) gefülltes Glas mit bekanntem Durchmesser (59mm) nehmen und den Inhalt durch einen um 180° gebogenen Knick-Trinkhalm als Saugheber abfließen lassen.

Kennt man die Zeit (480sec) dann kann man die Viskosität bestimmen und auch die Zeit, in der eine 2mm Stahlkugel 200mm weit in dieser Flüssigkeit sinken würde. Diese Werte sind gefragt.
Manfred


https://www.roboternetz.de/phpBB2/album_pic.php?pic_id=1171

Da vielleicht nicht jeder einen Knicktrinkhalm zur Hand hat:
Innendurchmesser 4,8mm,
kurzes Ende (im Glas) 48mm,
langes Ende 154mm,
Länge (mit Bogen) 215mm.

Jakob L.
11.12.2006, 23:15
Hallo,

Als erstes kann man das Volumen des Spülmittels berechnen:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/475e77ce9ef56f120b7e68b4dc975816.png

Für die Rechnung gehe ich davon aus, dass der Druck des Spülmittels näherungsweise konstant ist. Als Höhe für die Berechnung des Drucks nehme ich 154mm - 1/2*48mm = 130 mm. Der Druck ist damit:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/d54e004c7b5cd014088a67d90a286967.png

Die Fliessgeschwindigkeit in einem Rohr lässt sich mit der folgenden Formel berechnen:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/b7416ede390baf95603ae14f2bb65807.png

Aufgelöst nach der Viskosität ergibt sich:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/d160d0a6d1983b06dd27143dd0dc83c2.png

Die Geschwindigkeit der Stahlkugel werde ich morgen ausrechnen. Die Formeln dazu habe ich schon gefunden.

Gruss
Jakob

Manf
11.12.2006, 23:44
Vielen Dank, für die Initiative in die Berechnung einzusteigen.
Es geht mir selbst darum, auch etwas Gefühl für die Werte von nicht so geläufigen Größen zu entwickeln.
Hier ist zum Vergleich auch ein Datenblatt von einem anderen Spülmittel.
http://gwu.hagebau.de/docs/100564.pdf
Manfred

Jakob L.
12.12.2006, 15:57
Hallo!

Jetzt habe ich auch die Geschwindigkeit der Stahlkugel ausgerechnet. Mit dem Gesetz von Stokes kann man die Kraft ausrechnen, die auf eine Kugel wirkt, die sich durch eine Flüssigkeit bewegt:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/1ceb62dbe7df3718d6d7f5d403682b03.png

Ich nehme an, dass die Kugel sich mit konstanter Geschwindigkeit durch das Spülmmittel bewegt und die Gewichtskraft genau der Reibungskraft entspricht.
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/30c1728893318a1cf609126316a4478f.png

Nun kann man das Volumen einer Kugel einsetzen:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/fd7c1ea29b289a3e7bc1816af5d34be8.png

Nach dem Auflösen nach v ergibt sich:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/39af5ee1352b96802487805361a919e9.png

Damit kann man problemlos die Zeit ausrechnen, die die Kugel für eine Strecke von 20 cm braucht:
https://www.roboternetz.de/wissen/images/math/ae02861c02ee726345fd10566b921fec.png


Gruss
Jakob

Manf
12.12.2006, 17:03
Das schwierige an der Aufgabe ist ja, dass man nicht so richtig ein Gefühl für die Größenordnung hat.
Hast Du es schon einmal ausprobiert, ob es wirklich so lange dauert, das sind ja an die 4 Minuten.
Die kleine Kugel immerhin aus Stahl*), etwa wie Stecknadelkopf, wenn die in die Spülmittelflasche fällt und man kommt nach 3 Minuten wieder vorbei dann wäre sie immer noch unterwegs, kann man sich das vorstellen?
Manfred


*) Man nimmt übrigens vorteilhafterweise Kugeln aus magnetisierbarem Material um sie mit einem Magneten von außen wieder aus der Flasche bergen zu können.

PicNick
12.12.2006, 19:27
Ich hab das Wohlwollen meiner Frau aufs Spiel gesetzt und versucht:

5mm Durchmesser Stahl-Kugel in "ALIO" Spülmittelkonzentrat
Für 10 cm braucht die Kugel etwa < 2 s

Deckt sich das mit der Theorie ?

Manf
12.12.2006, 20:02
Die Geschwindigkeit steigt ja mit r², das wären dann 6,25 mal so schnell für die große Kugel und die halbe Strecke also ein 12,5stel der Zeit, das hätten nach der Rechnung 18,4 Sekunden sein sollen.

Da Du es ja gemessen (oder geschätzt) hast, sollte das Spülmittel nur 1/10 der Viskosität haben.
Manfred



http://images.google.de/images?q=tbn:4CoQYfseS0hDHM:http://www.rossmann.de/p_images/08/92/27/03.jpg http://images.google.de/images?q=tbn:R3kgFFIO15Dh0M:http://www.kf-komm.de/Bilder/Images/alio.gif
Bei der Messung wurde übrigens Domol Orange eingesetzt

PicNick
12.12.2006, 20:14
Schon gemessen, war aber durch die Geschwindigkeit überrascht, ich dacht', ich hätte die Zeit, nach dem Loslassen der Kugel schnell genug auf die Uhr schauen zu können. Es ließ sich nur beschreiben mit "plumps".

Die Unterschiede der Spülmittel scheinen enorm zu sein.

Jetzt sollt' ich wirklich meinen Katzen einen Knick-halm entwenden, um dieses Experiment auf eine ähnliches Verhältnis zu prüfen.
Dann wär' ja alles wieder friedlich. :-)

Manf
12.12.2006, 23:49
In Wirklichkeit sind die Unterschiede in der Viskosität nicht sehr groß. Die üblichen Spülmittel bewegen sich in der gleichen Größenordnung.
Das geht zumindest auch aus den Datenblättern hervor von denen ich hier eines angegeben hatte das sogar einen typischen Bereich angibt. http://gwu.hagebau.de/docs/100564.pdf

Die Gleichungen und die Rechung die oben angegeben wurden sind sehr schön und korrekt ausgeführt, bis auf einen Punkt an dem leider doch ein recht großer Fehler hereingekommen ist. Das tückische an der Berechung ist dann wohl, dass man sich bei den Werten der Viskosität nicht an gebräuchlichen Werten orientieren kann, wie beispielsweise 5V oder 1kg.

Ein Wert von 100 Pascalsekunden kingt für viele genauso glaubwürdig oder unglaubwürdig wie 100 Milli-Pascalsekunden. Darum soll es ja gehen. Es sollen hier zwei Wege zur Bestimmung der Viskosität (vorwärts und rückwärts) duchlaufen werden, um ein Gefühl dafür zu bekommen welche Werte sinnvoll sein können.

Ich habe bei der Vorbereitung der Frage noch Daten im Netz gesammelt und die Flüssigkeit bei unterschiedlicher Temperatur betrachtet und, was bei Spülmittel anscheinend auch ganz gut geht, eingedickt weil ich für Experimente eine höhere Viskosität benötigt habe. Es war so, dass ich in zwei Schritten 30% des Volumens an Wasser herausgenommen habe und jeweils etwa den 3-4 fachen Viskositätswert erhalten habe. Für die Experimente zur Viskositätsmessung wurde aber frisches, handelsübliches Spülmittel verwendet, das schon einen Tag bei Raumtemeratur gelagert wurde (ca.20°C).

Abschließend wäre es dann vielleicht noch sinnvoll sich zu überlegen, wie die beiden Experimente der Aufgabe mit Wasser ablaufen würden.
Manfred

PicNick
13.12.2006, 20:17
..wie die beiden Experimente der Aufgabe mit Wasser ablaufen würden
Würde man ja ein analoges Verhalten erwarten, wenn Durchmesser Rohr und Viskosität noch eine laminare Strömung zulassen.
Bei der Kugel weiß ich auch nicht, bei welchen Werten mit Kavitation zu rechnen ist.
Hydrodynamik ist ein recht interessantes Gebiet. Mein ehemaliger Physik Prof. (Weinzierl) hat da einige Arbeiten verfaßt. Bei mir ist da leider nicht viel hängen geblieben. Daher bin ich nur voll staunender Bewunderung für alle, die sich auskennen. :-)

Manf
13.12.2006, 21:54
Es ist Schade um die schönen Gleichungen in Jakobs Darstellung wenn wir es noch einmal machen sollen:
Es war ja fast alles richtig ganz besonders die Beziehung für den Durchfluss, das Volumen pro Zeit:

V / t = (Pi * R^4 * p) / (8 * eta * l)

Dafür benötigt man das Volumen und den Druck
V = r^2 * Pi * h = 131 * 10^-6 m^3
p = rho * g * h = 1301 Pa
die Korrektur ist hier, dass beim Druck mit der Höhe multipliziert wird und damit ein Druck von 1301 Pa auftritt der dann beim Einsetzen in

eta = (Pi * t * R^4 * p) / ( 8 * V * l)

zu einer Viskosität von 0,288 Pa*s führt.

Damit erhält man eine Viskosität in Bereich der Spülmittel um 300mPas.
Das ist schon recht Viskos gegenüber Wasser mit 1mPas.

Man kann sich an einigen Werte orientieren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Viskosit%C3%A4t
1mPas Wasser
10mPas Kondensmilch
100mPas Olivenöl
300mPas Spülmittel
10000mPas Honig
Die Werte sind zum Teil nur grobe Werte und auch bei Wasser trifft es nur für 20°C zu.

Die Übertragung der Versuche auf das dünnflüssige Wasser geht nur bei der Veränderng weiterer Parameter mit denen man die Dauer des Ablaufs wieder erreicht, beispielsweise mit einem dünneren Messrohr oder mit einer kleineren Kugel.
Manfred

Jakob L.
13.12.2006, 23:22
Das mit dem Druck stimmt natürlich. Eigentlich hätte mir gleich auffallen müssen, dass ein Druck von 7.7*10^4 Pa = 0.77 Bar nicht realistisch ist . ](*,)

Wenn man die richtige Viskosität einsetzt, dann kommt man auf eine Geschwindigkeit von immerhin 5 cm/s. Die Stahlkugel braucht also lediglich 4 Sekunden, um 20 cm in dem Spülmittel zu sinken.

Manf
14.12.2006, 11:53
Zu den 3,87sec oder 4 sec bei der 2mm Stahlkugel in 20cm Spülmittel wollte ich noch Vergleichswerte angeben:

Die Geschwindigkeit nimmt mit dem Quadrat des Durchmessers zu. Die 2,5 mal so große 5mm Kugel hat die 6,25 fache Geschwindigkeit. Sie benötigt dann nach dem Reibungsgesetz für laminare Strömung nicht 4 sec sondern nur 0,62 sec für 20cm oder 0,31sec für 10cm.

Bei dünnen Flüssigkeiten und hohen Kräften kann man damit leicht auch Geschwindigkeiten berechnen die höher wären als die beim freien Fall. Damit gelten andere Effekte, speziell zunächst einmal die der turbulenten Strömung.

Bei der 2mm Stahlkugel läuft es noch laminar ab und man kann den Wert wirklich messen, deshalb wurde sie so klein gewählt. Allgemein sollte man also mit Kugeln unterschiedlicher Größe messen, um zu sehen, ob die Gesetzte für laminare Strömung in dem Bereich gelten.


Geht man weiter in Richtung der Verkleinerung des Kugeldurchmessers und bleibt bei einer Sink-Strecke von 100mm, zunächst auch bei 300mPas und beginnt mit einem Durchmesser von 1mm, das heißt einer Zeit von 8sec, dann erhält man folgende Absinkzeiten:

1mm: 8sec ......Stahlkugel in Spülmittel
10nm: 2500y ......Nano Eisen-Partikel in Öl als magnetische Flüssigkeit
10nm bei eta = 1mPas: 8,5y ......Nano Eisen-Partikel in Wasser
10µm bei (rho=1500?) 17µPas: 20sec ......Lasertoner- Partikel in Luft *)
Für Aerosil-Nano Partikel in Luft*) hätte ich etwa einen Tag ausgerechnet aber in Experimenten sinken sie nach dem Aufschütteln im Gefäß schon nach 10 sek wieder zusammen, das liegt wohl daran, dass sie kleinste Klumpen bilden, rückwärts gerechnet “Mikro-Klumpen“ der Größe 10µm.

Die Werte wurden auch für jeweils eine einzelne Kugel in der Viskosen Umgebung berechnet, größere Ansammlungen beeinflussen sich ja dann auch gegenseitig. Ein spezieller Fall, die Kombination aus zwei Kugeln mit einem kleinen Abstand, soll ja noch bei Münchhausen Lokomotion (https://www.roboternetz.de/phpBB2/viewtopic.php?t=25137) bestimmt werden.
Manfred


*) mit in Luft ist gemeint in einer Flasche mit Luft. Man sollte keinesfalls mit diesem Feinstaub offen an der Luft im Raum experimetieren.